Das angeblich berühmteste Haus der Bretagne steht in Plougrescant – nahe der rosafarbenen Granitküste. Unserer Besuch dort findet bei absoluter Ebbe statt. Wir erreichen über einen schönen Weg durch Felder, kleine Ortschaften vorbei an keltischen Kirchen, dörflich urigen Bistros und verwunschenen Boulangerien ein Meer aus Gestein und Felsen. Das Navi führt uns zu einem Wohnmobilparkplatz, der direkt am Wanderweg liegt. Von hier lässt sich prima die Gegend erschließen. Sofort eingenommen von der Schönheit des Ortes diskutieren wir, ob wir mutig genug wären, hier in der Wildnis abseits von jeglicher Zivilisation zu übernachten. Die Franzosen, die mit dem WoMo neben uns stehen, stehen auf Auffahrkeilen – sie haben sich offensichtlich getraut. Egal. Erst mal aussteigen und die Gegend erkunden! Und wir sind absolut begeistert!
Wir gehen vom Parkplatz zum Infopunkt, an dem auch eine Informationstafel steht. Ein Wanderweg für Kinder ist eingerichtet – er wird über einen freundlichen Stein geleitet – den nehmen wir an diesem Tag!
Das erste was wir neben dem Felsenmeer sehen, ist das Haus zwischen den zwei Felsen – also das berühmteste Haus der Bretagne. Und anders als in den Reiseführern stehen jetzt Autos davor – unglaublich, darüber hatte ich mir im Vorfeld überhaupt keine Gedanken gemacht – es ist offenbar bewohnt. Und es ist nicht das einzige seiner Art. Es stehen hier in der Gegend viele Häuser, die um und neben großen Felsen gebaut wurden. Vielleicht dienen die Brocken als Windschutz, oder sie stabilisieren in irgendeiner Form die Sockel oder Mauern oder… man bringt an ihnen seine Satellitenschüssel an.
Gefangen von den Steinen und den Felsen wird nach einiger Zeit des Beobachtens dann klar, es ist Ebbe und das Wasser kommt wahrscheinlich zurück bis zu den Algenrändern und den hellen Steinen und wir wissen, dass wir dieses Spektakel ansehen müssen. An Weiterfahrt ist nicht zu denken. Also gehen wir den Steinmonsterweg. Wir kommen an einem kleinen Fischerbootplatz vorbei und dort stehen drei WoMos mit der Nase zum Wasser. Herrlich – hier müssen wir stehen! Nach einer Wanderung vorbei an Artischockenfeldern, Natursteinhäusern und durch Gestrüpp und Schlamm fahren wir zu genau diesem Ort. Dort darf man nur von 8.00-20.00 Uhr stehen und Sven bespricht mit den Franzosen, ob das auch so eingehalten werden muss. Und tatsächlich – es wird hier ernst genommen aber nur wenige Kilometer im Landesinneren gibt es einen Parkplatz vor der Schule und neben der Kirche auf dem man regulär übernachten darf. So machen wir es. Aber erst genießen wir die Aussicht, machen Filme, probieren die Kamera aus und verlieben uns zudem noch in die kleinen lila Blümchen die den Gezeiten und Witterungen stolz ihre Köpfe entgegen strecken und ihnen in kleinen und großen Grüppchen trotzen.
Nach Recherche bei Wikipedia handelt es sich um eine Strandgrasnelke, die jedoch keine Nelke ist. Sie wächst auf Salzwiesen, am Meer, hat jede Menge Unterarten und gehört zu den gefährdeten Pflanzen – zumindest in Deutschland. Ich finde sie wunderbar! Auf meinem Bildern taucht sie immer wieder auf.
Wir sitzen also im Auto und schauen auf das Meer und fragen uns, wie die Gegend wohl aussieht, wenn Flut ist. Wir benötigen weitergehende Gezeiteninformationen! Ich lade die App „Gezeiten“ und wir sind sofort super im Bilde. Später lese ich irgendwo, dass in den Tageszeitungen auf der letzten Seite ebenfalls immer die Gezeiten gelistet sind – und übrigens auch die Wochenmärkte der jeweiligen Region.
Mit der App sind wir sehr informiert und fahren beruhigt von der ersten Reihe zum empfohlenen Parkplatz. In der Gegend sind wirklich die Bürgersteige hochgeklappt. Wir schlendern gemütlich durchs Dorf, finden erneute ein interessantes Kirchengemäuer einer alten Kapelle mit schrägem Turm, sehen schon den Bäcker für das Frühstück und kehren ein im „Blauen Haus“! Was ein Wunder in dieser Einöde!
Das kleine Restaurant besteht aus einem einzelnen Raum in dem vielleicht 10 Tische stehen. Es ist liebevoll eingerichtet mit jeder Menge kleiner entzückender Details. Über eine Durchreiche hinter dem Tresen sieht man direkt in die Küche, in der der Küchenchef und seine Küchenhilfe arbeiten. Wir trinken zweimal einen halben Liter Rose, bekommen eisgekühltes Wasser in einer Bügelflasche dazu. Unser kleiner speckiger Holztisch hat als Feature eine kleine Ausziehablage – dort wo man an den alten Küchentischen die Schubladen kennt, kann man an unserem Tisch eine Ablage ausziehen, sodass die Abstellfläche vergrößert wird. Zu unserem Aperitif erhalten wir kleine eingelegte Tomatenzwiebeln – also sie sehen aus wie Silberzwiebeln, sind nur viel kleiner und korallenrot und sie schmecken nach Tomate… dazu Oliven und Kapernäpfel. Als Vegetarierin passt auf der Karte für mich nichts so recht. Aber die Chefin macht schnell einige Vorschläge und ich entscheide mich für ein Super-Bowl mit Quinoa – eine ausgezeichnete Wahl. Auch Svens Essen ist köstlich – ein Hähnchenburger mit Avocado. Zum Nachtisch gibt es einen Schokokuchen mit Eis „Gâteau au chocolat maison, boule de glace“. Auch der hat einen Geschmack der absolut einzigartig ist – Tonkabohne?! Die Eissorte die wir wählen ist natürlich gesalzenes Karamell!
Nach einer guten Nacht, geweckt von den Schulkindern, die zu Fuß, mit dem Auto und dem Bus zur Schule gebracht werden, fahren wir morgens zum Frühstück erneut zu unserem Fischerplatz. Dort ist das Wasser nun komplett zurück und die Gegend sieht total anders aus. Jetzt stellt sich die Frage, ab wann das Wasser denn nun wieder abfließt – auch das lässt sich herrlich beobachten.
Manchmal gibt es überhaupt keine Eile, die Reise fortzusetzen… 🙂
Tipp: Dieser unfassbare Stellplatz, an dem man über Tag die Gezeiten beobachten kann, liegt laut den Daten von Google Maps bei diesen Koordinaten:
22820 Plougrescant, Frankreich,
48°51’39.3″ / N 3°14’15.1″W
Tipp 2: der offizielle Stellplatz, mit der Infotafel und den Toiletten hat folgende Adresse: Castel Meur, Plougrescant, Frankreich
Tipp 3: Der Übernachtungsstandort mit Fußweg zum La Maison Bleue liegt hinter der Schule: 1 Rue Skol, 22820 Plougrescant, Frankreich
Tipp 4: Das Restaurant La Maison Bleue bzh
21,hent sant Gonery, 22820 Plougrescant – auf Facebook: @lamaisonbleuebzh / https://www.facebook.com/lamaisonbleuebzh/
Tipp 5: Mit meinem iPhone 6s habe ich die App „Gezeiten“ kostenfrei geladen. Sie sucht den jeweiligen nächsten Messpunkt für Deinen Standort und zeigt Dir Ebbe und Flut in Metern und mit Uhrzeit an. Zudem zeigt die Kurve zur aktuellen Uhrzeit den aktuellen Stand und verbindet diese Information mit dem Mond (heute haben wir zum Beispiel einen abnehmenden Dreiviertelmond bei 84%) und die Fakten zum Auf- und Untergang von Sonne und Mond. Wetter kann die App natürlich auch. Ich finde sie leicht verständlich und die Werbung in der kostenlosen Variante stört mich persönlich nicht.
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